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LANDWIRTSCHAFT UND WALDORFSCHULE

HERAUSFORDERUNGEN, CHANCEN, UND DAS LEBEN


Im Gespräch mit David Peacock, Landwirt in Seewalde

Die Verbindung von Landwirtschaft und Pädagogik wird immer wieder als ein ideales Lernfeld für Kinder gesehen – stimmt das? Wie sieht es in der Realität und aus Sicht eines Landwirtes aus? Dieses Gespräch habe ich mit David Peacock in der anthroposophischen Arbeits- und Lebensgemeinschaft Seewalde geführt. Seewalde beheimatet neben Mitarbeiterhäusern den landwirtschaftlichen Hof „Erdhof“, eine Waldorfschule, zwei Waldorfkindergärten, Sozialtherapie, einen Bioladen und Unterkünfte für Tourismus.


David, kannst Du einmal erzählen, wie es überhaupt zu der Idee kam in Seewalde Landwirtschaft und Schule miteinander zu verbinden?

Bevor meine Frau und ich 2011 nach Seewalde kamen, gab es dort bereits einen landwirtschaftlichen Hof.  Wir beide hatten relativ viel Erfahrung in der Landwirtschaft, auch in der sozialen Landwirtschaft. Viola ist Heilpädagogin, ich kam aus der Landwirtschaft und hatte immer gesagt, dass eine Landwirtschaft zunächst für sich funktionieren muss. Und wenn die gut läuft, kann man sozusagen eine authentische Sozialtherapie (Arbeit mit behinderten Menschen) in den Betrieb integrieren. Im Februar 2011 haben wir angefangen, wir sind mit unseren zwei kleinen Kindern sowie 2 bis 3 Kühen, einem Haufen Schweine und Hühner von Niedersachsen hergezogen.

 

Der Boden hier ist für die Landwirtschaft schwierig, er wird von der Sonne verbrannt und es mangelt an Regen. Unsere Herangehensweise ist, immer zu versuchen zu verstehen: Was ist los? Was für ein Ökosystem gibt es da? Wie kann man das stützen? Das selbstverständlich auch mit Düngemitteln, mit modernen Betriebsmitteln und durch Integration des Biologisch-Dynamischen. Es ist aber ein sehr langsamer Prozess. Der Grund, warum das funktioniert, auch an den schwierigsten Standorten funktioniert, ist, dass man die Fremdbetriebskosten einfach möglichst gering hält. Wir bewirtschaften jetzt 125 ha und verwalten zusätzlich noch etwa 100 ha vom Nachbarn. Man darf es sich allerdings nicht romantisch vorstellen, Landwirtschaft bedeutet sehr viel Arbeit und auch sehr viel maschinelle Arbeit mit Traktoren. Es hat dann bis 2015 gedauert, bis wir eine Landwirtschaft etwa in der jetzigen Form hatten, also mit einer recht großen Herde von etwa 60 Tieren (Kühe, Schweine, Geflügel).

 

Von Anfang an waren die Menschen mit Behinderung in den Betrieb integriert, aber mit einem Betreuer. Mit ihm sprechen wir ab, was ansteht und wie es gemacht wird.

 

Als wir nach Seewalde kamen, gab es dort einen Kindergarten und eine Schule in Gründung. Als die Schule 2012 mit ihrer ersten Klasse anfing, waren nur vier Kinder in dieser Klasse. Die Lehrerin hat immer gesagt:  Im Klassenzimmer bin ich mit dem, was ich bearbeiten möchte, schnell fertig bei vier Kindern. Daher ging sie mit den Kindern einfach über den Hof, durchs Gelände, in den Wald. Das war spannend, weil sie aus der Stadt kam und mit den landwirtschaftlichen Arbeiten nicht vertraut war. Daher waren für sie die Dinge auf dem Hof eine größere Herausforderung als für die Kinder. Das war im Rückblick ein unfassbares Lernfeld für mich.

 

Kannst Du dafür ein konkretes Beispiel geben?

Ich muss an einen Fall denken, wo wir gesagt hatten, wir werden morgen Hühner schlachten, uns ein bisschen zurückziehen und das hinter der Scheune machen. Dorthin muss sie dann nicht unbedingt kommen. Wir waren also am nächsten Tag beim Schlachten, die Kinder kamen mit der Lehrerin auf den Hof. Die Kinder waren vorgerannt und standen plötzlich alle hinter uns. Es war spannend zu beobachten, wie sie mit ihrem kindlichen Erleben dabei waren. Für sie war es ganz einfach: Da sind David und Viola und sie machen ihre Arbeit. Die Kinder hatten gar keine Berührungsängste, sie fanden das sogar spannend und interessant. Wie sieht das innen aus? Das sind die Organe. Und wieso ist da kein Blut? Alles ist recht sauber und man hat gemerkt, wie sie einfach mitgingen und voller Staunen waren. Zwei Minuten später kam die Lehrerin um die Ecke, schlug ihre Hände vor den Mund und wurde blass. Ab diesem Moment wurde es schwierig für die Kinder. - Das war für mich ein einschneidendes Erlebnis zu merken, wie wir eigentlich die Kindheit verderben, weil die Kinder noch voller Staunen sind, etwas wissen wollen, etwas erfahren wollen. Wir gehen aber so sehr verkopft heran, dass wir ihnen diese Möglichkeit gar nicht geben.

 

Wie siehst Du Ansätze, die aus dem Konzept der Handlungspädagogik kommen?

Anfangs sollten die Kinder dem Hof, den Tieren einfach begegnen, das hatte keinen Namen oder Konzept. Wir hatten dann einmal jemanden zu Gast, der über Handlungspädagogik sprach. Er hat z.B. darüber gesprochen, dass die Kinder beim Eier Sammeln Zählen lernen könnten und ganz viele tolle Beispiele. Aber für uns war das alles nicht so ganz praxistauglich. Zum Beispiel sind Hühner keine Haustiere. Man bekommt vielleicht mal ein Huhn dahin, dass es sozusagen dein Haustier wird, indem du beim Essen immer ein paar Scheibchen Brot auf den Boden legst. Dann kommt es und genießt es wegen des Futters bei dir zu sein. Ein Huhn ist aber nicht unbedingt ein Tier, zu dem man wirklich eine Beziehung aufbauen kann. Wenn eine Kinderschar zum Eier Sammeln in den Hühnerstall geht, ist das Erste, was die Hühner machen: „Mist, ich will hier bloß weg.“ Solche Gesichtspunkte waren in dem Paket an Ideen einfach nicht berücksichtigt. Man muss auch sagen, dass die Lehrer oft nicht die notwendige Erfahrung in der Landwirtschaft mitbringen. Sie verstehen nicht, wie die Landwirtschaft tickt, die einfach ihren Rhythmus und ihre Routine hat. Wie komme ich denn mit der Klasse auf den Hof, und was darf ich nicht, welche Regeln gibt es? Das ist aber wichtig, weil das ein Arbeitsort ist, wo es z.B. darauf ankommt, dass sich das Werkzeug immer am richtigen Ort befindet

 

Wie entwickelte sich der Hof als Begegnungsort hin zur „Hofstunde“ für die Kinder?

Der Hof als Begegnungsort funktionierte wie beschrieben zunächst sehr informell und ich fand es auch nicht schlecht, solange es in der Schule nur 2 bis 3 Klassen gab. Mitte/Ende 2017 beschlossen wir, dass es eine so genannte „Hofstunde“ für die Schüler gibt. Mit dem Anwachsen der Schülerzahl wurde deutlich, dass es einen neuen Griff braucht, der jedoch sehr an dem Klassenlehrer und dessen Verständnis für das, was wir machen, hing. Es wäre sicherlich sehr hilfreich, wenn die (Klassen-)lehrer durch eine gewisse Zeit am Hof intensiv mitarbeiten könnten, um sich dieses Verständnis zu erwerben!

 

Welche Chancen siehst Du in der Landwirtschaft als Begegnungsort?

Für die unteren Klassenstufen ist die Landwirtschaft als Begegnungsort gut geeignet. Die Kinder begegnen den Kühen, sie spüren die Kühe. Sie gehen da wunderbar mit, sie bekommen vor allem auch einen Bezug zur Landschaft: Aha, das sind die Weiden, wo die Kühe immer im Frühjahr stehen. Das sind die Weiden, wo sie immer im Herbst stehen. Durch diese Begegnungen legt man in den Kindern ein kleines Stück Heimatempfinden an. Ich bin davon überzeugt, dass sie das in ihrem ganzen Leben mit sich tragen. Wenn sie alt sind und an den Wiesen vorbeilaufen, dann sagen sie: Da waren ja die Kühe! Das ist die große Chance der Landwirtschaft, weil es etwas ist, was sonst in unserer modernen Gesellschaft so sehr fehlt: Dieser innere Bezug zur Landschaft. Ich bin daher davon überzeugt, dass für die Klassen 1- 4 diese Art der Begegnung ein gutes Konzept ist.

 

Welche Herausforderungen erlebst Du?

Es gibt strukturelle Schwierigkeiten die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Schule und der Landwirtschaft zu vereinbaren, z.B. bei der Ackerbauepoche. Man sät den Roggen im Herbst, natürlich am besten mitten in den Herbstferien... Also haben wir es vorher oder nachher gemacht, das ist schon suboptimal. Und dann braucht er neun Monate, bis er so weit ist und geerntet werden will. Und meistens ist das mitten in den Sommerferien. Man muss ständig neu denken und schauen, wie das werden kann. Gerade bezüglich der Ackerbauepoche habe ich einfach die Frage, ob das sein muss oder ob man das, was damit beabsichtigt ist, nicht anders in den Hof integrieren kann. Auch der Gartenbauunterricht ist toll, aber an einem Ort wie diesem hier, wo wir sozusagen eine pulsierende Landwirtschaft haben, was sind da die Zielsetzungen des Gartenbauunterrichtes? Wie könnte man das integrieren, dass beides zusammenkommt? Damit will ich nicht sagen, dass man Gartenbau aus dem Fenster wirft, aber einfach mal zu überlegen, wie könnte es vielleicht anders gehen?

 

Wann kam denn die heutige „Hofstunde“ in den verbindlichen Stundenplan der Kinder?

Die Hofstunde ist erst sehr spät, ich meine erst nach Corona, in den Stundenplan der Kinder aufgenommen worden. Man merkt erst dann, was es bedeutet jede Woche beständig einer Gruppe Kinder etwas Sinnvolles zu tun zu geben, das ist nicht ohne. Ich bin jemand, der sehr viel liest und dann überlegt, was anwendbar ist und gerne Anregungen aufgreift. Ich versuche aber noch mehr aus dem Erleben heraus etwas zu entwickeln und das ist schwierig, wenn man völlig planlos ist und das in der Landwirtschaft. Meine Frau hat ganz klar gesagt, ich kann mit Gruppen von über fünf Kindern nichts anfangen, die brauchst du mir gar nicht zu schicken. Ich habe dann gedacht, gut ich probiere es mit Klassen, weil es einfach wichtig ist und es war nun mal im Stundenplan etabliert.

 

Wir hatten zum Glück eine Kindergärtnerin, die auch bei uns in der Landwirtschaft gearbeitet hat. Und es gab noch jemanden, der hier vor Ort lebte und bei uns vertretungsweise geholfen hat. Es gab also zwei Personen, die im Hof integriert waren. Und mit denen konnten wir uns offen und sehr punktuell abstimmen, um die Klassen in diesen Hofstunden zu begleiten. Dann kamen andere Zeiten, und wir waren plötzlich wieder allein mit dieser Vorstellung, die Kinder auf dem Hof zu haben und zu integrieren. Ich muss sagen, ich habe gemerkt, wenn man es richtig macht, war tatsächlich jeden Montag den gesamten Vormittag mit der Begleitung von drei Klassen in Anspruch genommen. Wir haben die Hofstunden jetzt wieder reduziert und arbeiten vor allem mit der Klasse 4.

 

Wie läuft denn eine Hofstunde ab?

Der Hof liegt etwas abseits, die Schule mitten im Dorf. Die Kinder würden normalerweise um elf Uhr ihre Stunde in der Schule beginnen. Fakt ist aber, vor allem wenn es regnet oder manchmal sehr kalt oder heiß ist, dass sie vom Klassenzimmer erst runter in die Garderobe müssen und sich umziehen. Sie kommen von der Schule um 11:10 Uhr los, ein Begleiter bringt sie zum Hof. Dort sammeln wir uns immer am gleichen Ort. Wir sagen „Guten Morgen“ und teilen die 11 Kinder in zwei Gruppen auf. Die Gruppen sind fest, also immer dieselben Kinder. Die Gruppen hat der Klassenlehrer eingeteilt, denn er kennt die Kinder am besten Und dann ist tatsächlich wichtig, dass diese Gruppen relativ weit voneinander entfernt arbeiten. Die Grenzen sind auf unserem Gelände schwierig zu setzen. Wenn eine Gruppe schiefläuft, ist es schlimm genug, aber wenn dann noch die zweite Gruppe mitzieht, geht das gar nicht.

 

Einer von uns hat auf dem Hof eine Aufgabe mit den Kindern und der andere geht in die Wiesen oder in den Wald nach den Waldtieren zu schauen. Weil ich der Landwirt bin, habe ich den Vorteil, dass ich nicht durch eine Landschaft laufen kann, ohne Arbeit zu sehen. Das bedeutet auch, dass ich, weil ich für die Arbeit wenig vorbereiten muss, mit den Kindern losgehe und wir entdecken dann schon Arbeit.

 

Wir haben über den Winter immer die Kühe gepflegt, also eingestreut und gefüttert. Und jetzt ist es das nächste, dass meine Gruppe die Kühe auf der Weide wahrnimmt und schaut, ob sie Wasser haben, ob die Zäune funktionieren, dass sie merken, wie ein Elektrozaun funktioniert - manche Jungs müssen das jede Woche selbst erfahren. Die Tiere werden auf dem Feld nochmal anders erlebt als im Stall. Dennoch bleibt es für mich eine Herausforderung, denn die Kinder sollten diese Tätigkeiten als Arbeit erleben. Sie sollten in der vierten Klasse durchaus ein Verständnis dafür bekommen, dass die Tiere da sind, aber dass nichts von allein passiert, sprich:  Zäune und Zaunfehler kontrollieren, sitzen sie da auf dem Pfosten, wo sie sitzen müssen?  Wie ist das Erscheinungsbild der Tiere auf der Wiese? Gleichzeitig spielt immer Pflanzenkunde mit hinein, das gehört einfach dazu. Oder auch Tierkunde und sowieso die Umweltbeobachtung. Wir schauen, ob die Kühe Schatten haben, brauchen sie Schatten? Was macht das Gras? Wächst es jetzt gut oder wird es gerade zur Savanne?  Dann kehren wir wieder zurück und das ist sehr spannend, weil man merkt, dass 45 Minuten viel zu wenig sind und gleichzeitig erledigt man eine Arbeit.

 

Die Kinder fragen manchmal:  Wieso kriegen wir kein Geld für unsere Arbeit? Und dann sage ich, das kommt später, das werdet ihr lernen. Wenn Ihr Lohn erhalten würdet, dann müsstet Ihr mich auch für eure Betreuung bezahlen. Dann ist diese Unterhaltung schnell vorbei.

 

Man merkt, wenn die Arbeit physisch ist, dass man das den Kindern eigentlich nicht länger als 10-15 Minuten, den ausdauerndsten Kinder 20 Minuten auftragen kann. Aber dann ist auch wirklich Schluss. Wenn es eine sehr logisch erklärbare Arbeit ist, können sie es 20 Minuten aushalten. Das ist selbstverständlich der Sinn, dass sie ein Gespür dafür bekommen, dass es Arbeit ist. Aber es ist nicht so, dass sie eine Arbeitserleichterung für den Hof oder für mich wären. Es ist im Grunde nicht wesentlich, wie lange die Arbeit dauert, es geht vielmehr darum, dass sie merken, etwas tun zu können, dass sie etwas schaffen können, dass die den Zaun gebaut haben für die Kühe. Es ist so wichtig, dass dieser Junge jedes Mal, wenn er an dem Stück Zaun vorbeigeht, sich erinnert: Da habe ich die Tür hingemacht.

 

Die andere Gruppe hat die Schweine als Schwerpunkt, denn Schweine sind einfach sehr intelligente, soziale Tiere, obwohl dort offensichtlich „Survival of the fittest“ gilt. Die dicken fressen sich satt und die dünnen kriegen nichts mehr ab. Trotzdem ist das Schwein ein intelligentes Tier, zu dem die Kinder wirklich eine Beziehung aufbauen können. Sie nennen das „Schweine zähmen“. Doch im Grunde ist es eine Aufforderung zur Beobachtung. Sie merken selbst, dass Schweine gar nicht dumm sind. Jedes einzelne Kind nimmt seine Beziehung zu irgendeinem Schwein auf. Wenn dann das Gras wächst, pflücken sie es und transportieren es für die Schweine. Das ist ein Dauerbrenner, das ist das, was die Kinder richtig lieben.

 

Jedoch ist das Füttern etwas, was tagtäglich passieren muss. D.h. wenn ich als Bauer sagt, okay die Kinder sollen die Kühe füttern, dann müssten die Kinder täglich da sein. Also muss ich gucken, dass das Gras sozusagen wie ein Salat zum Mittagessen ist. Es ist etwas sehr Schönes, aber es ist kein Muss. Ich habe eine Weile gebaucht zu verstehen, dass es schädlich ist, wenn man die Kinder oder eine Klassenhofstunde für etwas nutzt, was absolut sein muss, das kann dann meine Erwartungen nicht erfüllen. Gleichzeitig ist es für die Schweine schön, wenn einmal die Woche ein richtig guter Salat kommt, darüber freuen sich die Schweine besonders.

 

Wie stellst Du Dir eine ideale Zusammenarbeit eines Hofes mit einer Schule vor?

Ich hielte es für optimal jeden Tag dieselben Schüler auf dem Hof zu haben, die einfach jeden Tag diese Routine sowie den Rhythmus erfahren und erledigen. In der idealen Welt wäre das meiner Ansicht nach zielführender. Ich habe das Glück, dass ich nie vor einer Klasse Kindern in diesem Alter stehen musste. Aber ich glaube, das ist einfach eine Herausforderung und die Landwirtschaft könnte dabei unterstützen, sie atmet ja. Jeden Tag gibt es etwas zu tun und diese Routine und dieser Rhythmus ist sehr heilsam für die Kindern und für mich auch. Ich glaube gerade diejenigen, die sonst im Klassenraum durchaus auffällig sind, brauchen eine heilende Umgebung und das kann die Landwirtschaft bieten. Landwirtschaft kann das mehr als irgendetwas Künstliches, was man implementiert, um den Kindern zu helfen. Authentisch läuft die Landwirtschaft nicht von allein, wenn man Pädagogik integrieren will, das ist eine große Herausforderung.

 

Was hältst Du von einer Landwirtschaft, die sich auf Kinder einstellt?

Ich habe mir Schulbauernhöfe angeschaut und war eigentlich immer ziemlich entsetzt. Entweder über den Zustand der Tiere, der einfach inakzeptabel war oder aber über die Zustände, in denen die Tiere gehalten wurden und insgesamt über die fehlende Authentizität. Auch wenn es komisch klingt, die Tiere in der Landwirtschaft sind Nutztiere. Sie sollen dem Menschen etwas bieten und er sollte es nutzen.

 

Es ist auch gut für die Kinder, dass sie etwas über Leben und Tod lernen, das ist etwas Zentrales in der Landwirtschaft. Ständig werden Tiere geboren und ständig werden auch welche geschlachtet. Die Auseinandersetzung damit ist für die Kinder im Grunde sehr logisch. Wenn ich Burger oder ein Stück Fleisch essen möchte, muss dafür das Tier sterben. Für die Kinder ist es kein Problem, wenn sie es in diesem landwirtschaftlichen Zusammenhang erleben. Begegnen sie dem Schlachten aber über YouTube oder über eine intellektuelle Unterhaltung von Erwachsenen, die damit vielleicht nicht vertraut sind, hat man schon verloren. Dennoch, wenn wir sagen, dieses Tier kommt demnächst dran, dann ist es immer das Lieblingstier von allen Kindern. Wir gehen damit ehrlich um, wir verstecken vor den Kindern nichts, das würde nicht funktionieren.

 

Wir vermeiden natürlich, dass die Kinder gewisse Bilder und Dinge sehen. Und wenn sie das sehen, wäre es uns ein Anliegen, dass sie es mit uns sehen und erleben. Wir sind sehr bemüht. Wir machen das so gut wie wir können. Es gab auch schonmal Eltern, die gefragt haben, ob wir nicht Tiere überleben lassen könnten, das wäre doch für die Kinder schöner. Und dann habe ich gesagt, wir machen 300.000 € im Jahr Umsatz mit dem Fleischverkauf, ob ihnen das bewusst sei. Da war die Unterhaltung vorbei.

 

Diese Begegnung mit der echten Landwirtschaft, das ist mir ein wichtiges Anliegen. Wenn man anfängt mit irgendwelchen Geschichten, wird es einfach nicht besser. Für mich steht aufgrund meiner Erfahrungen fest, dass es eigentlich nicht die Kinder sind, die Probleme haben, sondern meistens die Erwachsenen.

 

Vielen Dank, lieber David, für dieses interessante Gespräch!

 

Das Gespräch führe Antje Bek


 Der Beitrag erschien in erWACHSEN&WERDEN 06/25, Juni 2025



1 Comment


Eine sehr schöne, offene und ehrliche Schilderung der Situation auf einem Hof auf dem Schüler Ihre Erlebnisse in der Landwirtschaft haben können. Ich empfinde es für die Landwirte als eine große Herausforderung, gerade, wenn es sich um die Betreuung halber Klassen handelt.

Für die Schüler ist solch ein Erleben auf dem Hof wie David es beschreibt aber von unschätzbarem Wert, gerade in unserer so verkopften Gesellschaft.

Vielleicht sollte man aber von Seiten der Lehrer wirklich überlegen, ob eine einzelne Wochenstunde sinnvoll ist. Wäre es besser, einen täglichen Ablauf auf dem Hof einzurichten, dann aber nicht über das ganze Schuljahr? Auch wenn es täglich nur kleine Aufgaben sind, diese dann aber in einem Rhythmus und einer Regelmäßigkeit.

Die Klassen/Gruppengröße ist dabei…

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